Videoüberwachung und DSG



Im DSG finden sich in § 12 und § 13 Spezialregelungen zu "Bild- und Tonaufnahmen". So wird zB die Regelspeicherdauer von 72 h (§ 13 Abs 3 DSG) festgelegt, oder definiert, dass im höchstpersönlichen Bereich eine Bildaufnahme nur mit Einwilligung zulässig ist (§ 12 (4) Z 1 DSG).

 

In Art 6 DSGVO (oder auch in Art 9 DSGVO) finden sich jedoch keine Öffnungsklauseln, die es gestatten würden, die Kataloge dieser Bestimmungen einzuschränken oder zu erweitern. 

 

Art 23 DSGVO ("Beschränkungen" ) bezieht sich auch nur auf Art 12 ff. DSGVO ((

Betroffenenrechte) sowie auf Art 34 DSGVO und Art 5 DSGVO (Grundprinzipien), und nicht auf die Rechtsgrundlagen der Verarbeitung der personenbezogenen Daten. 

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 25.11.2019 (W211 2210458-1) daher entschieden, dass die Bestimmungen §§ 12 und 13 DSG wegen des Anwendungsvorranges der DSGVO unanwendbar sind, und alle derartigen Sachverhalte ausschließlich auf Basis der DSGVO zu entscheiden sind. 

 

"Der österreichische Gesetzgeber stützt sich bei der Erlassung von §§ 12 f DSG auf Art 6 Abs. 2 und 3 sowie Art 23 DSGVO und Kap IX DSGVO iVm ErwGr 10. Es sei an dieser Stelle nur angemerkt, dass es mangels einer spezifischen Öffnungsklausel fraglich ist, ob es den Mitgliedstaaten nach der DSGVO überhaupt noch gestattet ist, nationale Normen zur Videoüberwachung einzuführen bzw. beizubehalten. Art 6 Abs. 2 und 3 erlauben es zwar, auf nationaler Ebene spezifischere Regelungen (bei Einhaltungen der weiteren Voraussetzungen) beizubehalten bzw. zu erlassen, allerdings nur für Verarbeitungen auf Basis der Erlaubnistatbestände Art 6 Abs. 1 lit c und lit e (abzustellen wäre wohl iZm Videoüberwachung durch Private auf Art 6 Abs. 1 lit f)" (Kastelitz/Hötzendorfer/Tschohl in Knyrim, DatKomm Art 6 DSGVO, RZ 79 (Stand 1.10.2018, rdb.at)); vgl. auch Souhrada-Kirchmayer in Jahrbuch Öffentliches Recht 2018, NWV, S. 68; und auch in diesem Sinne zur deutschen Rechtslage betreffend eine Videoüberwachung zu privaten Zwecken: Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DS-GVO - BDSG, 2. Auflage, C.H. Beck, Art. 6 DS-GVO, RZ 172, S. 277).

 

Schließlich führte auch das deutsche Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 27.03.2019, BVwerG 6 C 2.18, aus wie folgt:

"Daraus folgt, dass die Öffnungsklauseln des Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO für Verarbeitungen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO Videoüberwachungen privater Verantwortlicher nicht erfassen. Aufgrund dessen ist kein Raum für eine künftige Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 1 des seit 25. Mai 2018 geltenden Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) - BDSG n.F. - als wortgleicher Nachfolgeregelung des § 6b Abs. 1 BDSG a.F. auf Videoüberwachungen privater Verantwortlicher. Diese sind an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zu messen."

 

Der erkennende Senat schließt sich dieser Meinung an, weshalb der festgestellte Sachverhalt nur unter die entsprechenden Vorschriften der DSGVO zu subsumieren ist: Die Aufbewahrung der gespeicherten Bilddaten für einen Zeitraum von 14 Tagen verstieß damit gegen den Grundsatz des Art. 5 Abs. 1 lit e DSGVO, da sich im Verfahren keinerlei Hinweise darauf ergeben haben, dass mit der Speicherung der Daten für 14 Tage tatsächlich ein unbedingt erforderliches Mindestmaß eingehalten wurde. Selbst wenn von einer Notwendigkeit der Videoüberwachung für Versicherungszwecke ausgegangen werden soll, kann sich eine derart lange Speicherung aus der Notwendigkeit der Nachvollziehbarkeit eines versicherungsrelevanten Vorfalls nicht ergeben. Damit ist dieser Speicherdauer auch jede Grundlage im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung des Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO entzogen, da ein derart berechtigtes Interesse des Beschwerdeführers weder vorgebracht wurde, noch sich aus dem angegebenen Zweck für den Betrieb der Videoanlage ergibt. Daher muss gegenständlich auch in Bezug auf die Speicherdauer der Bilddaten bis zu 14 Tage von einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit e und Art. 6 Abs. 1 lit f DSGVO ausgegangen werden."

 

 

Das BVwG geht daher davon aus, dass die §§ 12 und 13 DSG unangewendet bleiben (müssen), und bezieht sich ausschließlich auf die DSGVO. Dies bedeutet mE nicht, dass die (nunmehr nicht anwendbaren Bestimmungen) keine Bedeutung für die datenschutzrechtliche Praxis haben.

 

In den beiden Bestimmungen sind mE datenschutzrechtliche Prinzipien im Hinblick auf die "Bild- und Tonaufnahmen" dargelegt, bei denen der Gesetzgeber davon ausgeht, dass eine Verarbeitung der Daten zulässig oder unzulässig ist, sodass diese jedenfalls in die "Interessenabwägung" gem. Art 6 Abs 1 lit f DSGVO einfließen, oder auch den Standard für Speicherfristen oder technische und organisatorische Maßnahmen definieren. 

 


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