
Der OGH hatte sich mit dieser Frage zu beschäftigen, und vertritt dazu eine sehr fortschrittliche Ansicht.
Der OGH bejaht ein Recht des Betriebsrates an der (laufenden) Übermittlung der E-Mail-Adressen der Mitarbeitenden jedenfalls dann, wenn der Betriebsinhaber selbst diese Art der Kommunikation primär für berufliche Zwecke mit den Mitarbeitenden selbst laufend nutzt.
Ein Recht des Betriebsrates, auch die private Telefonnummer zur Kommunikation mit den Mitarbeitenden zu erhalten, lehnt der OGH ab.
Basis der Entscheidung ist § 72 ArbVG, der regelt, dass der Betriebsinhaber Sacherfordernisse unentgeltlich zur Verfügung zu stellen hat.
Hier die relevanten Teile des Urteils (6ObA2/23x, 17.01.2025; Hervorhebungen durch den Verfasser)
2.1. Befugnisse des Betriebsrats
[43] Der Betriebsrat ist der gesetzlich vorgeschriebene direkte Vertreter der Belegschaft (RS0051061). Ihm kommt als Belegschaftsorgan die Aufgabe zu, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern (vgl § 38 ArbVG).
[44] Nach § 72 ArbVG sind dem Betriebsrat zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben neben Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernissen auch sonstige Sacherfordernisse in einem der Größe des Betriebs und den Bedürfnissen des Betriebsrats angemessenen Ausmaß vom Betriebsinhaber unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Der Begriff der Kanzlei- und Geschäftserfordernisse ist insofern dynamisch zu interpretieren, als er dem jeweiligen Stand der technologischen Entwicklung anzupassen ist (RS0123849). Im Rahmen des § 72 ArbVG hat der Betriebsinhaber dem Betriebsrat eine angemessene Ausstattung mit Büromaterial, Telefonanschluss, Fachliteratur, PC und Internetanschluss sowie bei großen Betrieben mit einer Schreibkraft zur Verfügung zu stellen (vgl Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm Arbeitsrecht³ § 72 ASGG Rz 8 mwN).
[45] Entscheidend ist der Zweck der Bestimmung, der darin besteht, dem Betriebsrat die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen (8 ObA 92/04v ZAS 2005/39, 234 [Thiele]; RS0119458).
[46] Ausgehend von diesem Zweck folgt aus § 72 ArbVG auch die Verpflichtung, dem Betriebsrat dann, wenn im Betrieb ein bestimmtes internes Kommunikationsnetz errichtet ist, Zugang zu diesem, konkret die Möglichkeit der Verständigung der anderen Arbeitnehmer im Weg dieses Kommunikationsnetzes, einzuräumen (8 ObA 92/04v ZAS 2005/39, 234 [Thiele]). Zu beurteilen war in dieser im Jahr 2004 getroffenen Entscheidung die Einräumung der Möglichkeit, im Rahmen eines Firmenintranets E-Mails „an alle“ zu versenden. Der Oberste Gerichtshof bejahte die Verpflichtung des Betriebsinhabers, dem Betriebsrat diese Möglichkeit zu eröffnen, unter Hinweis auf den § 72 ArbVG innewohnenden Zweck. […]
[54] Ganz grundsätzlich ist jedes Betriebsratsmitglied in seiner Funktion berechtigt, mit einzelnen Arbeitnehmern aktiv Kontakt aufzunehmen, diese zu informieren und Angelegenheiten zu besprechen, die deren soziale, wirtschaftliche, kulturelle und gesundheitliche Interessen berühren, oder sich deren Anfragen und Interventionen anzuhören (Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 Vorbemerkungen zu den §§ 89 bis 114 ArbVG Rz 2a; Gahleitner in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II6 § 38 ArbVG Rz 8). In welcher Weise der Betriebsrat seine Interessenvertretungsaufgabe und in der Folge die Ausübung seiner Befugnisse anlegt, fällt in seine autonome Selbstverwaltung (Firlei, Umfang und Grenzen der Auskunftspflicht des Betriebsinhabers gem § 91 Abs 1 ArbVG, wbl 2011, 461 [463]).
2.2. Verhältnis zum Datenschutz
[55] Zur Rechtslage vor der DSGVO hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Befugnisse des Betriebsrats durch das Datenschutzrecht (damals DSG 2000) nicht berührt werden und jedenfalls im Bereich der Pflichtkompetenzen des Betriebsrats eine daten-schutzrechtliche Interessenabwägung nicht erforderlich ist (6 ObA 1/14m DRdA 2015/33, 255 [Goricnik] = jusIT 2014/112, 232 [Thiele] mit ausführlicher Darstellung der Literatur). Hervorgehoben wurde, dass dort, wo das ArbVG dem Betriebsrat eine von der individuellen Zustimmung der Arbeitnehmer unabhängiges Einsichtsrecht zuweist, eine solche nicht aus datenschutzrechtlichen Erwägungen verlangt werden kann. Denn dadurch bestünde die Gefahr, dass einzelne Dienstnehmer vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt würden, um entsprechende Einsichtnahmen und Kontrolltätigkeiten des Betriebsrats zu vermeiden (6 ObA 1/14m; RS0129697). Vielmehr ist im Hinblick auf die vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch ein Betriebsratsmitglied jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den Betriebsrat geschaffen hat (6 ObA 1/14m; RS0129697 [T2]).
[56] Diese Wertung wurde auch nach Inkrafttreten der DSGVO ausdrücklich aufrecht erhalten (9 ObA 51/22y [Rz 53] DRdA 2024/22, 296 [Jabornegg]). […]
[57] Insofern bestehe eine „Sphärenharmonie“ zwischen Betriebsverfassungs- und Datenschutzrecht; […]. Demnach sind alle gesetzlichen Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats datenschutzrechtlich auf ihre betriebsverfassungsrechtliche Erforderlichkeit der Verarbeitung personenbezogener Arbeitnehmerdaten durch den Betriebsrat für den jeweiligen Zweck zu prüfen […].
2.3. Anwendung der Grundsätze auf den derzeit festgestellten Sachverhalt
[58] Der Oberste Gerichtshof hat bereits im Rahmen der Ausstattung des Betriebsrats mit Büroinfrastruktur den Zweck der Regelung, nämlich die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgabe der Belegschaftsvertretung, betont. Dieser Zweck ist den – oben überblicksweise dargestellten – Regelungen über die Belegschaftsvertretung insgesamt immanent. Denn dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, eine Belegschaftsvertretung als ein mit weitgehenden Befugnissen ausgestattetes Organ der Arbeitnehmerschaft einzurichten, ohne ihr eine effiziente, den betrieblichen Gepflogenheiten entsprechende Kontaktaufnahme mit den von ihr vertretenen Arbeitnehmern zu ermöglichen. Das wäre aber der Fall, wollte man dem Betriebsrat verwehren, die dem Arbeitgeber bekannten und von diesem zur laufenden Kommunikation mit den Arbeitnehmern genutzten E-Mail-Adressen in Erfahrung zu bringen. Der Anspruch auf die Mitteilung der dem Dienstgeber bekannten E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer ergibt sich in einem Sachverhalt wie dem vorliegend festgestellten, in dem es sich bei den E-Mail-Adressen um eines der vom Arbeitgeber selbst primär genutzten Mittel der Kommunikation mit den Arbeitnehmern handelt, bereits aus dem Zweck der Einrichtung des Betriebsrats als Belegschaftsorgan und seiner Ausstattung mit umfangreichen (Einzel-)Befugnissen.
[59] Die Übermittlung der dem Arbeitgeber bekannten E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer an den Betriebsrat ist in einer Fallkonstellation wie vorliegend festgestellt auch datenschutzrechtlich zulässig:
[60] Da die proaktive Kontaktaufnahme des Betriebsrats mit den von ihm vertretenen Arbeitnehmern nicht schlechthin einer seiner Pflichtbefugnisse (zum Begriff vgl Auer-Mayer in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht III6 Vorbemerkungen zu §§ 89 bis 114 ArbVG Rz 4) zugeordnet werden kann, ist in einer Konstellation wie der vorliegend festgestellten die Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO zu prüfen. […].
[61] In einem Sachverhalt wie vorliegend festgestellt ergibt sich das berechtigte Interesse der Belegschaftsvertretung an der Mitteilung der dem Dienstgeber bekannt gegebenen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer aus dem Bedürfnis, in einer effizienten, den gegenwärtigen technischen Entwicklungen entsprechenden und betriebsüblichen Form mit den vertretenen Arbeitnehmern zu kommunizieren und dadurch die Befugnisse des Betriebsrats zweckdienlich ausüben zu können. Darin liegt gleichzeitig ein legitimes Interesse der Belegschaft als Gesamtheit. Dass die E-Mail-Adressen zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich sind, ergibt sich schon daraus, dass es sich um eines der auch von der beklagten Arbeitgeberin selbst primär genutzten Kommunikationsmittel handelt.
[62] Ein relevanter Eingriff in die Privatsphäre dadurch, dass Arbeitnehmer auf jener E-Mail-Adresse, die sie ihrem Arbeitgeber zur Kommunikation im Zuge des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung stellen, auch von der Belegschaftsvertretung, also ebenfalls im beruflichen Kontext, kontaktiert werden können, ist nicht ersichtlich. Überwiegende Interessen der betroffenen Arbeitnehmer stehen der begehrten Bekanntgabe der E-Mail-Adressen bei einem Sachverhalt wie dem hier festgestellten daher nicht entgegen.
[63] Das Recht zur Bekanntgabe umfasst notwendig auch die E-Mail-Adressen der neu eintretenden Arbeitnehmer sowie die Mitteilung der der Beklagten bekannt gegebenen Aktualisierungen.
[64] Hingegen ist in einem Sachverhalt wie hier festgestellt ein berechtigtes Interesse der Belegschaftsvertretung und der Arbeitnehmer daran, neben einer Kontaktaufnahmemöglichkeit per E-Mail zusätzlich über die privaten Telefonnummern der Arbeitnehmer zu verfügen, nur gering ausgeprägt. Bei regelmäßiger Nutzung der E-Mail-Adresse – wovon auszugehen ist, wenn es sich dabei, wie im festgestellten Sachverhalt, um eines der primären Kommunikationsmittel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt – ist die Telefonnummer des Arbeitnehmers auch für eine zeitnahe Kontaktaufnahme durch die Belegschaftsvertretung nicht erforderlich. Schon aufgrund dieser Erwägungen ist aus dem festgestellten Sachverhalt ein Recht des Betriebsrats auf Bekanntgabe der Telefonnummern der von ihm vertretenen Arbeitnehmer nach dem derzeit etablierten Sachverhalt nicht ableitbar.
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