Der Versand eines Newsletters an „Kunden“ nach einem Assetdeal führt zu mehreren Verfahren. Ist die E-Mail-Empfängerin eine Kundin des Unternehmenskäuferin

 

Der Versand eines Newsletters an „Kunden“ nach einem Assetdeal führt zu einem Verfahren vor der DSB, dem BVwG und dem OGH 

 

Eine Frage, die die Praxis immer wieder beschäftigt:

Darf bei einem Unternehmenskauf der Käufer die vorhandenen Kundendaten für E-Mail-Marketing nutzen.

 

Nun liegt dazu eine (weitere) Entscheidung, diesmal des BVwG (31.10.2022, W176 2245794-1/4E)  vor (nicht rechtskräftig), wobei auch eine Wettbewerbssituation (Verfahren vor dem OGH) eine Rolle spielt.

 

Wie kam es zum Verfahren?

 

Eine betroffene Person wendet sich nach einem Werbe-E-Mail eines Unternehmens, das sie erhalten hat, an die DSB und legt dar, dass sie zu keinem Zeitpunkt eine Bestellung dort getätigt oder sonst einen Vertrag mit der BF geschlossen oder Kontakt mit ihr gehabt habe.

 

Der Versender des E-Mails argumentiert im Verfahren, dass er aus einem Insolvenzverfahren das Unternehmen aus der Masse erworben hätte, und insbes. auch den Kundenstock.         

 

Weiters verweist das Unternehmen darauf, dass das Datenschutzverfahren ein „Nebenschauplatz“ zu einem zivilgerichtlichen Verfahren ist, das von einer Mitbewerberin, die im Bieterverfahren um das Unternehmen unterlegen sei, begonnen wurde.

 

 

Die Entscheidung der DSB

 

Die Zulässigkeit der Versendung Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung ist gemäß § 107 (jetzt: § 174) TKG (der Art. 13 Abs. 1 e-Datenschutz-RL umsetzt) und nicht nach Art. 6 DSGVO zu beurteilen sei.

 

Die Empfängerin der E-Mail hat weder gegenüber dem insolventen Unternehmen noch gegenüber dem Versender der E-Mail eine Einwilligung in den Erhalt von E-Mails als Newsletter zu Zwecken der Direktwerbung abgegeben; vielmehr sei sie „einfache" Kundin gewesen.

 

Ein Rechtfertigungsgrund gemäß § 107 (jetzt § 174) Abs. 3 TKG liegt nicht vor, da die Zusendung elektronischer Post (und somit auch des Werbe-E-Mails) nur dann rechtmäßig sei, wenn der Absender die Kontaktinformation für die Nachricht im Zusammenhang mit dem Verkauf oder einer Dienstleistung an seine Kunden erhalten hat.

 

Es stellt sich daher die Frage, ob die Empfängerin der Werbe-E-Mail mangels einer Gesamtrechtsnachfolge „die Kundin“ des Versenders der E-Mail iSd § 107 (jetzt § 174) Abs 3 TKG ist.

 

 

 

Die Entscheidung des BVwG

 

Die Zulässigkeit der Versendung Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung ist gemäß § 107 (jetzt: § 174) TKG (der Art. 13 Abs. 1 e-Datenschutz-RL umsetzt) und nicht nach Art. 6 DSGVO zu beurteilen sei.

 

Dazu hat dazu umfassende Sachverhaltsfeststellungen getroffen, wie der Unternehmenskäufer und die insolventen Unternehmensverkäuferin ihre Produkte am Markt unter Bezugnahme auf die Bezeichnung des Verkäufers angeboten haben. Der Verkauf von Nahrungs­ergänzungsmitteln erfolgte sowohl im Einzelhandel in mehreren Filialen und auch in einem Webshop unter einer die Produkt kennzeichnenden Domain. Nach Insolvenz erwarb der E-Mail-Versender sämtliche im Eigentum der Verkäuferin stehenden, bilanzierten und nicht bilanzierten, materiellen und immateriellen Vermögenswerte, welche rechtmäßig und rechtsgültig übertragen werden können, in Bausch und Bogen, darunter den Firmenwert („goodwill“) des Unternehmens, bestehend u.a. aus dem Kundenstock und dem Online-Auftritt (und damit auch die Domain) des Unternehmens.

 

Es wurden daher offensichtlich auch die Unternehmenskennzeichen inkl. Domain mitverkauft, und der E-Mail-Versender nutzte diese Kennzeichen auch bei der Versendung der E-Mails und verwies auch auf den Webshop, der unter der ursprünglichen Domain der Verkäuferin betrieben wurde.

 

Das BVwG bezieht sich auf diese umfassende Feststellung und sieht die E-Mail-Empfängerin als „Kundin“ des versendenden Unternehmens, weil das gesamte Unternehmen gekauft wurde, und auch auf den identen Webshop verwiesen wurde. Das kaufende Unternehmen konnte daher annehmen, dass die Kundin weiterhin Interesse an den Produkten hat.

 

 

„Aufgrund der Feststellung, wonach die BF das gesamte Unternehmen XXXX übernommen hat, deren Kundin die MP war, muss nun angenommen werden, dass die BF berechtigerweise davon ausgehen durfte, dass die MP (weiterhin) Interesse an den Produkten von XXXX hat.

Da der Newsletterversand in Hinblick auf den im Wesentlichen identen Webshop erfolgte, kommt der erkennende Senat (anders als die belangte Behörde) zum Ergebnis, dass die MP Kundin der BF iSd Ab. 3 Z 1 leg. cit. ist.“

 

 

Auch wurde nach Ansicht des BVwG Werbung für eigene ähnliche Produkte (§ 174 Abs 3 Z 2 TKG) gemacht, da dies vor dem Hintergrund der Unternehmensübernahme zu sehen ist. Auch die anderen Voraussetzungen des § 174 Abs 3 TKG sind erfüllt, und das BVwG weist auch auf die „Parallel­entscheidung“ des OGH (4 Ob 95/21f) hin; siehe dazu Blogeintrag vom 01.11.2021

 

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, und die Revision an den VwGH wurde für zulässig erklärt.

 

 

Es bleibt also spannend, insbes. da die DSB und das BVwG zum selben Sachverhalt bei einem Assetdeal und E-Mail-Newsletter bzw. Weitergeltung der Einwilligung, die gegenüber dem Verkäufer erteilt wurde, unterschiedliche Ansichten zur Sonderbestimmung des § 174 Abs 3 TKG bei dem E-Mail-Marketing gegenüber Bestandskunden vertritt.


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Information zur Entscheidung des BVwG bei Werbe-E-Mails nach einem Asset-Deal
E-Mail-Werbung Assetdeal Einwilligung BV
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