Zugang einer E-Mail trotz Betriebsurlaub?



Der OGH hat am 31.08.2018 die Frage entschieden, ob im Betriebsurlaub Willenserklärungen per Email „zugehen“ und damit Wirksamkeit entfalten können. Es ging um eine Kündigung eines Vertragsverhältnisses. Diese muss zu einem bestimmten Zeitpunkt „zugehen“, damit die Kündigungsfrist noch ausreichend gewahrt ist. 


Kündigung und Zugang der Erklärung

 

Eine Kündigung (eines Vertrages zB eines Mietvertrages) ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Empfänger (Vertragspartner) zugehen muss. Der Zugang einer Erklärung ist dann gegeben, wenn diese derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass der Absender mit der Kenntnisnahmemöglichkeit rechnen kann (sog. Empfangstheorie).

 

Wenn daher zB ein Arbeitnehmer ein Dienstverhältnis beenden möchte, und die Kündigungsfrist ein Monat zum Monatsletzten beträgt, dann muss die Kündigung bis zum Ende des laufenden Monats (zB 31.3.) dem Arbeitgeber zugehen, damit diese mit Ende des nächsten Monats (zB 30.4.) wirksam wird, und das Dienstverhältnis beendet ist.

 

Wenn ein Mieter das Mietverhältnis mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende beenden möchte, dann hat die Kündigung dem Vermieter zB bis zum 31.12. zuzugehen, damit das Mietverhältnis zum 31.3. des Folgejahres beendet ist.

 

Geht die Kündigung erst nach Ablauf des genannten Termines (zB beim Beispiel der Miete am 2.1.2019) zu, dann läuft das Mietverhältnis noch bis zum Ende des dritten vollen Monats, dh bis zum 30.4. und der Mieter ist verpflichtet, bis dahin die Miete zu bezahlen.

 

Manche Verträge sehen auch spezielle Kündigungstermine zB Quartalsende oder Jahresende mit unterschiedlichen Kündigungsfristen zB 12 Monate zum Jahresende oder drei Monate zum Quartalsende vor, sodass dem rechtzeitigen Zugang der Kündigungserklärung vor Beginn der vereinbarten Kündigungsfrist große Bedeutung zukommen kann.

 

 

 

Zugang einer Erklärung per E-Mail

 

Für den Zugang elektronischer Willenserklärungen in den Machtbereich des Empfängers hat der OGH bereits ausgesprochen, dass die Mailbox des Empfängers jedenfalls dann zu seinem Machtbereich gehört, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E-Mail-Adresse erreichbar ist.

 

Für den Zeitpunkt des Zuganges ist maßgebend, ob der Sender „objektiv“ mit der Kenntnisnahmemöglichkeit rechnen konnte. Der OGH hat dies auch ausdrücklich bereits für E-Mail-Erklärungen so entschieden (1 Ob 149/17v; Zugang einer E-Mail-Erklärung in einem öffentlichrechtlichen Bewerbungsverfahren).

 

Nach § 12 Satz 1 ECG gelten elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann.“ (aus der OGH-Entscheidung zitiert).

 

Es reicht nicht aus, wenn diese zugesandte Erklärung (zB eine Kündigung per E-Mail) faktisch abrufbar ist. Es soll vielmehr sichergestellt werden, und dies drückt die Wortfolge „unter gewöhnlichen Umständen“ aus, dass „Erklärungen nur zu den üblichen Geschäftszeiten und nicht während der Urlaubszeit rechtswirksam zugehen. […] Jeder Nutzer, der sich etwa im Urlaub befindet, hat auch die Möglichkeit, diesen Umstand seinem Geschäftspartner (zB mittels E-Mail-Erklärung) mitzuteilen (8 Ob 58/14h).“ (so der OGH in der Entscheidung).

 

Zugang trotz Betriebsurlaub?

 

Wenn der Versender einer Mitteilung per E-Mail weiß, dass der Empfänger sich auf Betriebsurlaub befindet, dann kann die Erklärung dem Empfänger nicht wirksam zugehen. Der Versender kann nicht damit rechnen, dass der Empfänger auf sein Email-Konto zugreift, und während des Betriebsurlaubes seine E-Mails bearbeitet. Da der Versender also nicht damit rechnen kann, dass die Mitteilung derart in den Machtbereich (E-Mail-Inbox) des Empfängers gelangt, dass dieser eine Kenntnisnahmemöglichkeit hat, geht die E-Mail unter diesen Umständen dem Empfänger nicht bzw. erst nach Ablauf des dem Versender bekannten Betriebsurlaubes zu.

 

Die positive Kenntnis des Versenders der Kündigung, dass sich der Empfänger der E-Mail im Betriebsurlaub befindet, verhindert daher jedenfalls, dass die Kündigung vor Ablauf des Betriebsurlaubes wirksam wird. Wenn es sich daher zB um einen Betriebsurlaub während der Weihnachtsfeiertage und bis zum 6.1. handelt, dann geht eine Kündigungserklärung, die vor dem 31.12. zugehen müsste, um einen Vertrag zum 31.3. zu beenden, erst am 7.1 zu, und die Kündigungsfrist von drei Monaten beginnt erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen. Der Vertrag endet erst am 30.4.

 

Der OGH dazu:

 

„3.2. Im vorliegenden Fall hat der Erklärungsempfänger vor Absendung des gegenständlichen E-Mails eindeutig erklärt, dass „sich das Büro vom 23. Dezember 2015 bis 6. Jänner 2016 im Weihnachtsurlaub befindet“. Wenn das Berufungsgericht dieses E-Mail dahin verstanden hat, dass damit zum Ausdruck gebracht werde, die Büros der beklagten Partei würden im angeführten Zeitraum nicht besetzt sein und ihr werde daher ein Abrufen von E-Mails nicht möglich sein, ist darin keine vom Obersten Gerichtshofs aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.

 

3.3. Ein Erklärender, der trotz Hinweis auf einen bevorstehenden Betriebsurlaub eine rechtsgeschäftliche Erklärung per E-Mail an den Empfänger richtet, kann nach der im Allgemeinen Zivilrecht maßgeblichen Empfangstheorie gerade nicht davon ausgehen, dass die Erklärung in diesem Zeitraum abgerufen wird. Der Zugang ist daher bei Einlangen während der Zeit einer angekündigten Abwesenheit erst mit dem Beginn des nächsten Werktags anzunehmen.

 

3.4. Zwar ist richtig, dass an einen Unternehmer höhere Anforderungen hinsichtlich seiner Sorgfaltspflicht gestellt werden. Die Auffassung, dass jeder Unternehmer dazu verpflichtet wäre, auch bei einem Betriebsurlaub ununterbrochen empfangsbereit zu sein und an das Unternehmen gerichtete E-Mails ständig abzurufen, würde jedoch die Sorgfaltsanforderungen überspannen.“

 

Kann eine Abwesenheitsnotiz die Rechtzeitigkeit eines Zugangs verhindern?

 

Nicht entschieden wurde vom OGH im konkreten Fall, ob eine Abwesenheitsnotiz des Empfänger den Zugang einer Erklärung verhindert. Der OGH hat sich in einem Verbandsverfahren des VKI zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedoch bereits dazu geäußert.

 

 

 

„Selbst wenn die Monatsrechnung der Beklagten dem Karteninhaber technisch abrufbar auf seiner Mailbox zur Verfügung steht, ist für den Fall, dass durch diesen Vorgang eine Abwesenheitsnotiz generiert wird, aber nicht zu übersehen, dass der Absender eben dadurch in der Regel nahezu zeitgleich darüber verständigt wird, dass der Empfänger - wegen Krankheit, Urlaub oa - seinen E-Mail-Account vorübergehend nicht oder nicht regelmäßig überprüfen wird. Der Absender darf daher auch nicht erwarten, dass der Empfänger die Monatsrechnung zeitnah mit dem Eingang in seine Mailbox zur Kenntnis nimmt.“ (OGH, 9 Ob 56/1w, 29.01.2014)

 

 

 

Ausgehend von dieser Entscheidung kann daher eine Abwesenheitsnotiz, die den Versender einer Kündigung (oder sonstigen Erklärung) darüber aufklärt, dass der Empfänger des E-Mails nicht erreichbar ist, und die Erklärung nicht „zur Kenntnis nehmen“ kann, den Zugang der Erklärung verhindern bzw. zeitlich bis zum Ablauf des Urlaubes / Betriebsurlaubes / der sonstigen Abwesenheit verschieben.  

 

Dies ist auch nicht überraschend, denn auch bei einer urlaubsbedingten Abwesenheit kann ein Poststück nicht zugestellt werden (zB sofern dies der Post mitgeteilt wird) und der Absender einer Briefsendung erfährt auch erst im Nachhinein, dass das Poststück nicht zugestellt wurde. Bei einem E-Mail erfährt er es innerhalb sehr kurzer Zeit.

 

Was ist, wenn der Empfänger den Zugang „vereitelt“?
Wenn der Empfänger den Zugang einer Erklärung wider Treu und Glauben verhindern möchte, dann gilt die Erklärung als zugegangen.

 

Der eine Kündigung Aussprechende trägt regelmäßig das Risiko für den ordnungsgemäßen Zugang der Erklärung. Ein Übergang des Risikos kann nur eintreten, wenn sich der Vertragspartner dem Zugang der Erklärung absichtlich oder wider Treu und Glauben entzieht. In diesem Fall muss er sich so behandeln lassen, als ob er die Auflösungserklärung rechtzeitig empfangen hätte.“ (RS0047277)

 

Wenn der Empfänger den Zugang einer Erklärung wider Treu und Glauben verhindern möchte, dann gilt die Erklärung als zugegangen.

 

Eine Kündigung durch einen Arbeitgeber geht zB dem Dienstnehmer zu, wenn er unangekündigt wegen Zeitausgleich abwesend ist. „Bei treuwidriger Verhinderung des Zuganges der - angekündigten - Kündigung durch Abwesenheit vom Betrieb infolge Inanspruchnahme von Zeitausgleich ohne Verständigung des Arbeitgebers gilt die Kündigung als zugegangen.“ (RS0028552). Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich um einen angekündigten Urlaub, bei dem mit Ortsabwesenheit gerechnet werden muss, handelt, und zwar auch dann, wenn der Dienstnehmer die Erreichbarkeit zugesagt hat (9 ObA 8/96). Die Frage, ob der Zugang einer Kündigung treuwidrig vereitelt wurde, ist eine Frage des Einzelfalles (9 ObA 61/13f).

 

 

Der Rechtstipp:

 

Willenserklärungen können per E-Mail versandt werden, und können auch Rechtswirkungen entfalten. Diese müssen jedoch dem Empfänger rechtzeitig zugehen, und den Versender trifft auch die Beweislast, dass die Erklärung tatsächlich zugegangen ist. Es ist daher zu empfehlen, vom Empfänger eine Empfangsbestätigung anzufordern, wobei mE die automatisch angefragte Empfangsbestätigung nicht ausreicht, sondern eine Bestätigung vom Empfänger angefordert werden sollte.

 

Es ist jedoch immer zu beachten, ob ein Schriftformvorbehalt vereinbart ist, und dann können zB einfache E-Mails, wenn die Schriftform nicht nur deklarative Bedeutung (für Beweiszwecke) hat, keine wirksame Erklärung darstellen.

 

Wenn keine besondere Form vorgeschrieben ist, dann kann eine Erklärung auch per E-Mail rechtswirksam abgegeben werden.

 

Ist dem Absender bekannt oder wird er durch eine Abwesenheitsnotiz informiert, dass der Empfänger keinen Zugriff auf die E-Mail-Inbox hat, dann ist das E-Mail nicht zugegangen, sodass etwaige Fristen noch nicht ausgelöst werden. Erst mit der Rückkehr nach der Abwesenheit geht das E-Mail zu, und der Fristenlauf beginnt.

 

Bei Abwesenheit ist es daher zu empfehlen, einen Abwesenheitsassistenten im E-Mail-Programm zu aktivieren, und jedem Sender von E-Mails dadurch mitzuteilen, dass ein Zugang von E-Mails derzeit nicht möglich ist.

 

Auch sollten daher Erklärungen, die Fristen auslösen, nicht zu knapp vor etwaigen Terminen, die die Fristen verlängern (zB 15. des Monats, Monatsende, Weihnachtsfeiertage, Betriebsurlaube im Sommer) versandt werden. Es kann dann noch reagiert werden, und versucht werden, die Erklärung auf anderen Wegen dem Empfänger zuzustellen.

 

 

03.03.2019, Autor:
Michael Schweiger, zert. DSBA


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Erläuterung einer OGH Entscheidung zum Zugang einer Kündigungserklärung während des Betriebsurlaubes in den Weihnachtsferien … Wann geht die Kündigungserklärung zu?
Zugang einer E-Mail trotz Betriebsurlaub
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