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D – kein Schadenersatz für Löschung eines Posts und Sperrung eines Benutzerkontos auf „read only“.



Das OLG Dresden machte am 11. Juni 2019 (4 U 760/19) in einem Beschluss Ausführungen zum Schadenersatzanspruch nach Art 82 DSGVO.

 

 

 

Der Sachverhalt

 

Der Kläger veröffentlichte einen Post auf seinem Benutzerkonto der Plattform der Beklagten. Diese löschte den Post und versetzte sein Konto für einige Tage in einen „read-only“-Modus.

 

Das Landgericht Bautzen hat die Beklagte zur Wiederfreischaltung des Beitrages verurteilt, und festgestellt, dass die Löschung sowie Sperre rechtswidrig waren. Den Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadenersatz hat das Landgericht abgewiesen (6 O 94/18).

 

Dagegen erhob der Kläger die Berufung, und das OLG Dresden fasste einen Beschluss mit 11. Juni 2019 und teilte mit, dass es beabsichtige, die Berufung ohne Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, und gab dem Kläger die Möglichkeit, binnen 4 Wochen Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurde ihm nahegelegt, die Berufung zurückzuziehen.

 

 

 

 

 

Die Entscheidung

 

Das Gericht beschäftigt sich umfassend mit dem Anspruch auf Schadenersatz bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten, der einen schwerwiegenden Eingriff voraussetzt.

 

 

 

Überdies erklärt das Gericht zu Art 82 DSGVO (Haftung und Recht auf Schadenersatz: materieller und immaterieller Schadenersatz bei Verletzung der DSGVO), dass dieser eine gewisse Erheblichkeit der Beeinträchtigung erfordert, und nicht jede Rechtsverletzung unmittelbar auch zu einem ersatzfähigen Schaden iSd Art 82 DSGVO führt.

 

Nicht bereits jede individuell empfundene Unannehmlichkeit oder ein Bagatellverstoß ohne ernsthafte Beeinträchtigung für das Selbstbild oder Ansehen einer Person begründet bereits einen Schadenersatzanspruch.

 

Das Gericht führte dazu aus (Hervorhebungen durch den Verfasser):

 

3. Schließlich scheiden auch die geltend gemachten Ansprüche nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus. Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat hiernach Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen.

 

a) Es ist vorliegend bereits zweifelhaft, ob Art. 82 DSGVO auf die am 31.3.2018 erfolgte Löschung und die spätestens am 1.4.2018 beendete Sperrung Anwendung findet. [… ]

 

b) Dies kann jedoch auch dahinstehen, weil die Voraussetzungen für einen Anspruch nach Art. 82 DSGVO ohnehin nicht vorliegen. In der Löschung des Posts und der Sperrung des Accounts des Klägers liegt kein Verstoß gegen zwingende Vorgaben der DSGVO.

 

[…]

 

Dass dem Kläger durch die Sperrung ein materieller oder immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO entstanden wäre, kann der Senat überdies nicht erkennen. Die bloße Sperrung seiner Daten stellt ebenso wie der Datenverlust noch keinen Schaden im Sinne der DSGVO dar (Wybitu/Haß/ Albrecht, NJW 2018 S. 113 (114).  

 

Die behauptete Hemmung in der Persönlichkeitsentfaltung durch die dreitägige Sperrung hat allenfalls Bagatellcharakter (s.o.).

 

Auch wenn in der Literatur unter Bezug auf Erwägungsgrund 146 der DSGVO vereinzelt die Auffassung vertreten wird, eine wirksame Durchsetzung europäischen Datenschutzrechts erfordere einen Abschreckungseffekt und den Verzicht auf die nach bisherigem Recht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29.11.2016 - VI Z 530/15) geltende Erheblichkeitsschwelle (Gola, DSGVO, 2. Aufl. Art 82 Rn 13 m.w.N.; so auch AG Dietz, Urteil vom 7.11.2018 - 8 C 130/18 -juris), rechtfertigt dies keinen Ausgleich immaterieller Bagatellschäden.

 

Das Datenschutzrecht schützt zwar per se ein subjektives Recht, das einen starken Bezug zum persönlichen Empfinden des Einzelnen hat.

 

Dennoch ist Art. 82 nicht so auszulegen, dass er einen Schadensersatzanspruch bereits bei jeder individuell empfundenen Unannehmlichkeit oder bei Bagatellverstößen ohne ernsthafte Beeinträchtigung für das Selbstbild oder Ansehen einer Person begründet (Becker in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, Artikel 82 DSGVO, Rn. 4c).

 

Insbesondere kann der Hinweis auf einen „vollständigen und wirksamen Schadensersatz“ in Erwägungsgrund 146 der DSGVO nicht in diesem Sinne verstanden werden (so auch Lach, jurisPR-ITS 5/2019 Anm. 3).

 

Die Wahrung des Rechts auf informationelle in Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG und des Schutzes personenbezogener Daten nach Art. 8 GRC gebieten einen solchen Ausgleich regelmäßig nicht. […]

 

Gegen eine Ausdehnung des immateriellen Schadensersatzes auf Bagatellschäden spricht auch das erhebliche Missbrauchsrisiko, das mit der Schaffung eines auf Rechtsfolgenseite nahezu voraussetzungslosen Schmerzensgeldanspruchs gerade im Bereich des Datenschutzrechts einherginge.

 

Angesichts dessen sowie der damit einhergehenden vollständigen Abkehr von der bisher geltenden Rechtslage wäre zu erwarten gewesen, dass eine solche Änderung im Verordnungstext oder in den Erwägungsgründen einen deutlichen Ausdruck gefunden hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

 

 

 

In ähnlicher Weise wird es auch von Schweiger in Knyrim, DatKomm Art 82 DSGVO, RZ 26 (Stand 1.12.2018, rdb.at) vertreten:

 

„Die Rechtsverletzung per se stellt daher keinen immateriellen Schaden dar, sondern es muss eine Konsequenz oder Folge der Rechtsverletzung gegeben sein, die als immaterieller Schaden qualifiziert werden kann und die über den an sich durch die Rechtsverletzung hervorgerufenen Ärger bzw Gefühlsschaden hinausgeht."

 

 

05.07.2019, Autor:

Michael Schweiger, zert DSBA


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