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Löschung in einem Online-Forum - Medienprivleg des § 9 DSG


 

Löschung von Daten:

DSB weist Beschwerde eines Users in einem Online-Forum wegen der Löschung von User-Kommentaren zurück  

(13.08.2018;  DSB-D123.077/0003-DSB/2018 (rk)


Die DSB hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem ein User eines Online-Forums vom Betreiber die Löschung eines Beitrages eines anderen Users verlangte. Der Betreiber kam diesem "Löschungsantrag" nicht nach, und der User legte eine Beschwerde bei der DSB ein. Die Beschwerde wurde zurückgewiesen.


Ein User eines Online-Forums kontaktierte den Betreiber und beantragte die Löschung; diese wurde verweigert, und der User brachte eine Beschwerde bei der DSB ein.

Der Foren-Betreiber berief sich auf das datenschutzrechtliche Medienprivileg und legte dar, dass Löschung einzelner Diskussionsbeiträge zu einer verzerrten Darstellung der betreffenden Diskussion führen würde, da durch die Löschung auch die Beiträge anderer Nutzer aus dem Kontext gerissen werden würden.

 

Die DSB zitierte zuerst Art 85 Abs 1 u 2 DSGVO sowie § 9 DSG (Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit). Die DSB stellte fest, dass der Forenbetreiber Artikel zu diversen Themen online stelle, und diese unstrittig unter das Privileg nach § 9 Abs. 1 DSG fallen.

 

Die DSB prüfte sodann, ob der Diskurs der Nutzer des Online-Forums untereinander, dh die Postings unterhalb der Artikel auch vom Privileg des § 9 Abs 1 DSG erfasst sind. Die DSB prüfte, ob auch der Diskurs zwischen Benutzern im Online-Forum - also die Postings der Benutzer unterhalb der Artikel - vom Privileg nach § 9 Abs. 1 DSG erfasst ist.

 

 

 

Der nationale Gesetzgeber beschränkt das Privileg nach § 9 Abs. 1 DSG, indem das Privileg nur Medienunternehmen oder Mediendiensten zugänglich ist, sofern personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken durch Medieninhaber, Herausgeber und Medienmitarbeiter oder Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes verarbeitet werden.

 

Eine Verarbeitung personenbezogener Daten für journalistische Zwecke liegt nach dem Verständnis des EuGH jedoch vor, wenn die Verarbeitung ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten (vgl. das Urteil des EuGH vom 16. Dezember 2008, C-73/07 - Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, Rz. 62). Ferner sind nach Auffassung des EuGH journalistische Tätigkeiten nicht nur Medienunternehmen vorbehalten (vgl. EuGH aaO, Rz. 61). Für die Anwendbarkeit des Privilegs nach § 9 Abs. 1 DSG ist daher allein der Verarbeitungszweck entscheidend.

 

Um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen, müssen Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, im Ergebnis weit ausgelegt werden (ErwGr. 153 letzter Satz DSGVO). Somit werden Daten grundsätzlich immer dann zu journalistischen Zwecken verarbeitet, wenn die Zielsetzung die Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis ist (vgl. Buchner/Tinnefeld in Kühling/Buchner, Datenschutz-Grundverordnung1 Art. 85 Rz. 17).

 

Vor diesem Hintergrund muss das Privileg gemäß § 9 Abs. 1 DSG nach unionsrechtlichem Verständnis ausgelegt werden und kann in Lichte der Rechtsprechung des EuGH auch „Bürgerjournalismus“ umfassen (bspw. Internet-Diskussionsforen), der den Zweck der einseitigen oder wechselseitigen Kommunikation von Ideen, Meinungen und Informationen verfolgt (vgl. sinngemäß Suda/Veigl in Gantschacher/Jelinek/Schmidl/Spanberger, Datenschutzgesetz1 § 9 Rz. 3, noch mit Bezug auf § 9 DSG idF BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 120/2017 [Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018]).“

 

 

 

Die DSB ist im Bereich des Privilegs des § 9 Abs 1 DSG nicht zuständig. Art 85 Abs 2 DSGVO legt fest:

 

(2)   Für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, sehen die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), Kapitel IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), Kapitel V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen), Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), Kapitel VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und Kapitel IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.

 

 

 

„Das Privileg nach § 9 Abs. 1 DSG schließt die Anwendung von Kapitel VI DSGVO („unabhängige Aufsichtsbehörden“) aus. Nicht durch das Privileg ausgeschlossen ist die Anwendung der Bestimmungen von Kapitel VIII DSGVO („Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen“). Die in Art. 77 DSGVO gewährte Beschwerde an die Datenschutzbehörde ist jedoch ebenso wie die Verhängung einer Geldbuße durch die Datenschutzbehörde dennoch ausgeschlossen, da die Anordnungs- und Sanktionsbefugnisse der Datenschutzbehörde (Kapitel VI, insbesondere Art. 58 Abs. 2 lit c und i DSGVO) für Datenverarbeitungen unter dem Schutz des Privilegs nicht zwingend gelten. Dieser Schluss ergibt sich direkt aus Art. 85 Abs. 2 DSGVO (vgl. sinngemäß erneut Suda/Veigl in Gantschacher/Jelinek/Schmidl/Spanberger, aaO Rz. 2).“ (Auszug aus der Entscheidung der DSB)


kein Löschungsantrag bei Medienprivileg


Keine Möglichkeit eines Löschungsantrages iSd Art 17 DSGVO bei derartigen Verarbeitungen im Anwendungsbereich des Privileg des § 9 Abs 1 DSG.

 

Das Privileg nach § 9 Abs. 1 DSG schließt auch die Anwendung der Bestimmungen von Kapitel III DSGVO („Betroffenenrechte“). Ein Recht auf Löschung nach Art 17 DSGVO besteht daher nicht.


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