Eine betroffene Person forderte EUR 10.000,-- Schadenersatz von einer Wirtschaftsauskunftei an immateriellem Schaden.
Es ging um einen Eintrag einer Restschuldbefreiung in der Bonitätsauskunft.
Ein Widerspruch löst Prüfpflicht aus. Bis zum Widerspruch werden die Daten rechtmäßig verarbeitet.
Im Urteil des Landgericht Frankfurt am Mai vom 20.12.2018 wurde der beklagten Wirtschaftsauskunftei aufgetragen folgenden Eintrag zu löschen:
"Restschuldbefreiung erteilt.
Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen:
Der Vorgang wird unter dieser Nummer in den öffentlichen Verzeichnissen der Insolvenzgerichte geführt. Datum des Ereignisses: 05.01.2018."
Insolvenzverfahren – Was wurde in der Wirtschafsauskunft verarbeitet?
Das im Jahr 2011 eröffnete Insolvenzverfahren betreffend den Kläger wurde durch Beschluss des zuständigen Gerichtes am 5.1.2018 mit Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO beendet. Dieser Umstand wurde im Internetportal Insolvenzbekanntmachungen veröffentlicht.
In einer Bonitätsauskunft vom 2.3.2018 waren die oben ersichtlichen Daten enthalten, und wurde auch auf die Restschuldbefreiung vom 05.01.2018 hingewiesen.
Das Verfahren gegen die Wirtschaftsauskunftei auf Löschung
Der Kläger wendete sich mit einem Widerspruch gem. Art 21 DSGVO am 27.8.2018 an die Wirtschaftsauskunftei.
Der Kläger machte einen zivilrechtlichen Anspruch auf Löschung der Daten geltend, weil die Wirtschaftsauskunftei die Daten nicht gelöscht hatte.
Er brachte u.a. vor, dass er aufgrund des Eintrages keine größere Wohnung finden würde, er könne keine Ratenzahlungsgeschäfte oder Handyverträge abschließen und bei der geplanten Selbständigkeit würde der Eintrag etwaige Vertragspartner abschrecken.
Das LG Frankfurt am Main hat entschieden, dass aufgrund des erhobenen Widerspruches dem Kläger ein Löschungsanspruch gem. Art 17 Abs 1 lit c 1. Alternative iVm Art 21 Abs 1 DSGVO zusteht.
Ein Verantwortlicher, der mit einem Widerspruch iSd Art 21 Abs 1 DSGVO konfrontiert ist, muss prüfen, ob er die Daten gem. Art 17 Abs 1 lit c DSGVO löschen muss, oder ob vorrangige berechtigte Gründe für die weitere Verarbeitung vorliegen.
Das Gericht stellt die „Rechtslage“ zur Veröffentlichung von Restschuldbefreiungen dar:
„Der Verband der Wirtschaftsauskunfteien e.V., dem die Beklagte angehört, löscht Angaben ausweislich ihrer "Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018" - auch "Codes of Conduct (CoC)" - nach Abschnitt II Nr. 2 Buchstabe b taggenau drei Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung.
Die Verhaltensregeln der Wirtschaftsauskunfteien erfüllen die Voraussetzungen des Art. 40 Abs. 2 DSGVO. Sie wurden gemäß Art. 40 Abs. 5, 55 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 40 BDSG von der zuständigen Datenschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt. […]
In der öffentlichen Datenbank Insolvenzbekanntmachungen.de ist die Auskunft über eine Restschuldbefreiung hingegen nur 2 Wochen derart zugänglich, dass sie ohne Kenntnis des Sitzes des Insolvenzgerichts nur anhand einer Angabe, wie etwa des Namens des Schuldners, aufgerufen werden kann. Sie ist im darauffolgenden Zeitraum denjenigen Benutzern zugänglich, die sie unter zusätzlicher Eingabe des Sitzes des Insolvenzgerichts suchen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet - InsoBekV). Die Löschung aus dem Verzeichnis erfolgt im Fall einer Restschuldbefreiung spätestens sechs Monate nach der Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung (§ 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 InsoBekV).“
Berechtigtes Interesse als Grundlage für die Verarbeitung.
Die Verarbeitung von Bonitätsdaten, sohin auch des Datums der Erteilung der Restschuldbefreiung kann ein berechtigtes Interesse darstellen.
Eine Speicherung über 6 Monate ist nach Ansicht des Gerichtes auch im Hinblick auf die Veröffentlichungsfristen der Insolvenzbekanntmachungen (grundsätzlich) zulässig.
Auch die Verarbeitung für die weiteren 2 ½ Jahre sah das Gericht eine Rechtsgrundlage in berechtigten Interessen der Wirtschaftsauskunftei bzw. Dritter, sodass derartige Daten insgesamt zumindest 3 Jahre verarbeitet und auch in der Bonitätsdatenbank Dritten zur Verfügung gestellt werden dürfen, die einer betroffenen Person (zB bei einer Warenlieferung) Kredit gewähren:
„Für potentielle Geschäftspartner des Schuldners ist es im Rahmen der Bonitätsprüfung wichtig zu erfahren, ob bei dem Schuldner die Gefahr besteht, wieder insolvent zu werden. Für die Einschätzung dieser Gefahr kann die Erteilung der Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz sein (OLG Frankfurt, 14.12.2015 - 1 U 128/15 -, Rn. 16). Die Information über die Restschuldbefreiung über drei Jahre zu speichern ist nicht unverhältnismäßig und erfüllt in dieser Zeit weiterhin eine zulässige Warnfunktion.“
Berücksichtigung der besonderen Umstände der betroffenen Person beim Widerspruch
Nach der Beurteilung, ob der Verantwortliche sich auf eigene berechtigte Interessen oder diejenigen von Dritten berufen kann, ist bei einem erhobenen Widerspruch auf die konkreten Umstände des Einzelfalles in Bezug auf die widersprechende betroffene Person einzugehen.
Das Gericht kommt im Urteil zum Schluss, dass die konkreten Umstände des Klägers zu prüfen sind, und diese Umstände, die sich aus der besonderen Situation einer betroffenen Person ergeben, können im Wege eines Widerspruchs iSd Art 21 Abs 1 DSGVO geltend gemacht werden.
Ein Widerspruch führt daher zu einer Prüfpflicht des Verantwortlichen, ob die Daten gem. Art 17 Abs 1 lit c zu löschen sind, und dabei sind die besonderen Umstände der betroffenen Person zu bewerten und zu berücksichtigen. Ist der Widerspruch berechtigt, dann sind die Daten zu löschen.
„Dem Kläger steht ein Widerspruchsrecht dann zu, wenn er
Gründe darlegt, die auf Grund seiner besonderen Situation gegen die Verarbeitung der Daten sprechen, und die Beklagte keine schutzwürdigen Gründe nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers überwiegen.
Hierbei muss es sich um Gründe handeln, die eine atypische Konstellation begründen, welche den Interessen des Klägers ein besonderes Gewicht verleiht.“
Fazit:
Aufgrund der besonderen Situation einer betroffenen Person kann eine ansonsten auf Basis des berechtigten Interesses (Art 6 Abs 1 lit f DSGVO) zulässige Verarbeitung, dazu führen, dass die Daten nach einem Widerspruch zu löschen sind.
Bis zum Widerspruch werden die Daten rechtmäßig verarbeitet.
Der Widerspruch löst eine besondere Prüfpflicht des Verantwortlichen aus, sich mit den Argumenten der betroffenen Person und ihrer besonderen Situation auseinanderzusetzen.
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