Medienprivileg & DSGVO


 

Muss ein Verlag einen Beitrag im Internet nach Art 17 DSGVO löschen?


Das Medienprivileg des § 9 DSG geht sehr weit. Nach Ansicht eines Beschwerdeführers bei der DSB ist es jedoch kein „Freibrief für Verächtlichmachungen“. Eine aktuelle Entscheidung (21.04.2020, 2020-0.239.741) thematisiert das Verhältnis DSGVO und Medien bzw. Internetveröffentlichungen zu journalistischen Zwecken.

 

 

Die Beschwerde

 

Eine betroffene Person verlangte die Löschung eines Beitrages auf einer Plattform im Internet, und behauptete durch den Beitrag in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Betreiber der Plattform verweigerte dies unter Hinweis auf das „Medienprivileg“ des § 9 DSG.

Die betroffene Person wandte sich mit einer Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Löschung iSd Art 17 DSGVO an die DSB.

 

Diese hat nun am 21.4.2020 das Verfahren entschieden, und die Beschwerde abgewiesen, insbes. da die DSB unzuständig ist..

 

Der Sachverhalt ist uU vielen aus den Medien bekannt. Der Verantwortliche betreibt eine Online-Tageszeitung, in welcher regelmäßig Online-Artikel zu aktuellen Themen veröffentlicht werden. Im Online-Portal des Verantwortlichen war ein Artikel abrufbar, der sich auf den Beschwerdeführer bezog, der ein hochrangiger Polizeimitarbeiter eines Bundeslandes war. Im Artikel gab es auch einen Link zu einem YouToube-Video, das ein Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und einem Mitarbeiter des Polizeinotrufdienstes wiedergibt. Weiters waren auch Twitterbeiträge eingebettet.

In der Entscheidung der DSB ist auch eine inhaltliche Wiedergabe des Gespräches enthalten:

 

Der an dieser Stelle im Bescheid vollständig wiedergegebene telefonischen Dialog, in dem der Beschwerdeführer beim Polizeinotruf anruft, um eine Polizeistreife anzufordern, und den Mitarbeiter, der ihn nicht sofort an der Stimme erkennt und seine Identität und Funktion anzweifelt, abkanzelt, für den nächsten Werktag in sein Büro zitiert, um ihm dort die Leviten zu lesen, und ihm ein Disziplinarverfahren androht, kann nicht sinnvoll pseudonymisiert werden. Von einer wörtlichen Wiedergabe wird daher Abstand genommen.

 

 

Die Entscheidung der DSB.

 

§ 9 DSG regelt das „Medienprivileg“ und „erweitert iSv Art. 85 Abs. 2 DSGVO den Geltungsbereich des Privilegs auf jede Verarbeitung personenbezogener Daten, die zu journalistischen (Abs. 1 leg. cit.) bzw. wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen (Abs. 2 leg. cit.) Zwecken erfolgt. Man kann daher von einem datenschutzrechtlichen Informationsfreiheitsprivileg (in Folge nur: „Privileg“) sprechen.

 

Das DSG beschränkt das Informationsfreiheitsprivileg auf Medienunternehmen oder Mediendiensten zugänglich ist, sofern personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken durch Medieninhaber, Herausgeber und Medienmitarbeiter oder Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes verarbeitet werden.

 

Personenbezogene Daten werden dann für journalistische Zwecke verarbeitet (Judikatur des EuGH zB , C-73/07 - Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, RZ 62), wenn die Verarbeitung ausschließlich das Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Journalismus ist weit auszulegen, und personenbezogene Daten werden immer dann für journalistische Zwecke verarbeitet, wenn der Verantwortliche das Ziel hat, einen unbestimmten Personenkreis zu informieren, und dabei die Daten verarbeitet (und auch veröffentlicht).

 

Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht der DSB erfüllt, und daher ist die DSB für das Verfahren unzuständig, da § 9 Abs 1 DSG auch die Anwendung der Bestimmungen des Kap. II (Betroffenenrechte), dh auch Art 17 DSGVO, ausschließt.

 

§ 9 Abs 1 DSG schließt zwar die Anwendung der Bestimmungen zu den Aufsichtsbehörden (Kap. VIII; Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen) nicht aus, und in diesem Kapitel findet sich auch das Recht auf Beschwerde iSd Art 77 DSGVO, aber dieses Recht kann nicht losgelöst von Kapitel VI betrachtet werden.

Die betroffene Person ist nicht „schutzlos“, da sie sich auf zivilrechtliche Bestimmungen des Persönlichkeitsrechts (zB § 16 ABGB) oder auch das MedienG stützen kann, und gegen den Verantwortlichen vorgehen kann. Nur der (einfache) Weg zur DSB ist der betroffenen Person verwehrt.

 

 

Frühere Entscheidungen zum Thema „Medienprivleg & DSGVO“:

 

 

Im Bescheid verweist die DSB auch auf eine bereits früher ergangene Entscheidung (DSB, DSB-D123.077/0003-DSB/2018, 13.8.2018; siehe auch unsren Blogbeitrag vom 21.09.2018 sowie Bescheid vom 27.6.2016, D122.455/0003-DSB/2016).

 

 

 

30.10.2020, Autor:

Michael Schweiger, zert DSBA


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