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Sind Grundbuchsdaten allgemein verfügbar iSd § 1 Abs 1 DSG oder nicht?

Sind Grundbuchsdaten allgemein verfügbar iSd § 1 Abs  1 DSG?

Datenschutzbehörde: nein

 

Bundesverwaltungsgericht: ja 


Sind Grundbuchsdaten allgemein verfügbar iSd § 1 Abs  1 DSG?

Datenschutzbehörde: nein

Bundesverwaltungsgericht: ja

 

 

 

 

Die Verwendung von Grundbuchsdaten mit reiner Reproduktion der Daten ist aufgrund der allgemeinen Verfügbarkeit  zulässig. Wird mit den Daten jedoch ein informationeller Mehrwert verknüpft, dann bedarf diese Verarbeitung einer Rechtsgrundlage iSd Art 6 Abs 1 DSGVO.

 

 

 

Datenschutzbehörde

Die Daten im Grundbuch sind iSd § 7 Abs 1 GBG öffentlich zugänglich.

 

Die Tatsache, dass es sich beim Grundbuch um ein öffentliches Register handelt, bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung des OGH nur, dass jeder darin – gegen Kostenersatz – Einsicht nehmen und daraus Abschriften enthalten könne, jedoch nicht, dass die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder nur gerichtskundig sind.

 

Insofern kann schon aus diesem Grund nicht schlichtweg von allgemein verfügbaren Daten iSd § 1 Abs. 1 DSG gesprochen werden.

 

 

 

Bundesverwaltungsgericht (6.10.2023, W176 2257638-1/4E)

 

Damit Daten in diesem Sinne als „allgemein verfügbar“ eingestuft werden können, sind zwei Elemente zu erfüllen: Sie müssen in personeller Hinsicht aufgrund der Publikationsform einem individuell nicht bestimmten Nutzerkreis offenstehen; der Zugang zu den Angaben darf daher nicht nur für eine bestimmte Personen- oder Berufsgruppe bestehen (OGH 03.09.2002, 11 Os 109/01; DSK 2502.2009, K121.419/0007-DSK/2009), weil eine begrenzte Anzahl an Geheimnisträgern keine Öffentlichkeit darstellt, die eine „allgemeine“ Verfügbarkeit von Daten begründet. Diese Kriterien erfüllen sämtliche Arten von öffentlichen Büchern und Registern wie etwa das Firmenbuch, das Grundbuch oder das Telefonbuch (Ennöckl in Kahl/Khakzadeh/Schmid, Kommentar zum Bundesverfassungsrecht B-VG und Grundrechte Art. 1 DSG [2021] Rz 17).

Gemäß § 7 Abs. 1 GBG 1955 ist das Grundbuch öffentlich. Jedermann hat das Recht, in das Grundbuch Einsicht zu nehmen und sich so über die Rechtsverhältnisse an den Liegenschaften zu informieren. Nach dem formellen Publizitätsprinzip oder Öffentlichkeitsgrundsatz soll jeder die Möglichkeit haben, in das Grundbuch Einsicht zu nehmen (Höller in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 7 GBG [2016] Rz 1f). Der österreichische Gesetzgeber setzt lediglich für die Einsicht in das Personenverzeichnis (ein Hilfsverzeichnis, das nicht Bestandteil des Grundbuchs ist) aus datenschutzrechtlichen Gründen ein rechtliches Interesse voraus (Höller in Kodek, Rz 22). Jedermann kann in das Hauptbuch, das Verzeichnis der Eintragungen, die Hilfsverzeichnisse, das Tagebuch, die Urkundensammlung und die digitale Katastralmappe nach Maßgabe des §§ 5f GUG Einsicht nehmen. Jedermann ist berechtigt, Abschriften und Amtsbestätigungen aus diesen zu begehren (§ 584 Geo). Die Einsichtnahme in Hauptbuch, Urkundensammlung und die Hilfsverzeichnisse ist durch Abschriften zu gewähren (§ 5 Abs. 2 GUG).

Das Grundbuch als ein für jeden und jede einsehbares Register, das Aufzeichnungen über die jeweiligen Rechtsverhältnisse verschiedener Personen an einem Grundstück enthält, erleichtert den wirtschaftlichen Verkehr, spart Kosten, fördert die wirtschaftliche Entwicklung und gewährt Rechtssicherheit (Höller/Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 Vor § 1 GBG [Stand 01.09.2016, rdb.at]).

Soweit die Datenschutzbehörde davon ausgeht, dass bei Grundbuchsdaten nicht schlichtweg von allgemein verfügbaren Daten gesprochen werden könne, wird diese Ansicht vom Bundesverwaltungsgericht nicht geteilt:

Daten sind öffentlich zugänglich, wenn sie der Allgemeinheit oder zumindest einem größeren Personenkreis zur Verfügung stehen. Die allgemeine Verfügbarkeit ist dabei als rechtliche und nicht als faktische zu verstehen. Entscheidend ist, ob ein entsprechend großer Kreis von Personen auf Daten zugreifen kann. Ein entsprechend großer Kreis von Abfrageberechtigten und die Tatsache, dass im Einzelfall nicht geprüft wird, ob ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme besteht, reichen aus, um Daten als öffentlich zugänglich zu qualifizieren. Das Grundbuch, als Musterbeispiel einer öffentlich zugänglichen Datei, zeigt, dass auch eine Kostenersatz- und Identifizierungspflicht nicht zwingend dazu führen muss, dass Daten nicht öffentlich zugänglich sind (Löffler in Knyrim, DatKomm Art. 89 DSGVO [2018] Rz 65). Ferner stellte der Verwaltungsgerichtshof (zur Bestimmung des § 1 DSG 1978) klar, dass Voraussetzung für den Grundrechtsanspruch das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses ist und Informationen aus öffentlichen Büchern, wie etwa dem Grundbuch oder dem Firmenbuch, keine Schutzwürdigkeit zukommt (VwGH vom 19.02.1992, 90/12/0267). Vor diesem Hintergrund kann aus Sicht des erkennenden Senats daher kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei Daten aus dem Grundbuch um allgemein verfügbaren Daten iSd § 1 Abs. 1 DSG handelt.

 

Es ist davon auszugehen, dass nur bei bloßer Reproduktion von „allgemein zugänglichen Daten“ ohne Generierung neuer Information tatsächlich eine mangelnde Schutzwürdigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG anzunehmen ist. Dies deshalb, da eine Datenanwendung, die öffentliche Daten weiterverwendet, eher selten aus der ausschließlichen Duplikation von bereits veröffentlichten Daten besteht, da regelmäßig schon aus wirtschaftlichen Gründen ein informationeller Mehrwert erzeugt werden muss, und sei es auch nur zB durch eine neue Systematik des Informationsangebots oder durch Kombination von unterschiedlichen öffentlich zugänglichen Daten oder von öffentlich zugänglichen Daten mit anderen Daten. Falls dadurch „neue“ Daten entstehen, ist die Zulässigkeit ihrer Verwendung völlig neu nach den Bestimmungen des DSG zu prüfen (vgl. zur Rechtslage nach dem DSG 2000 Kotschy in Jahnel (Hrsg), Datenschutzrecht und E-Government Jahrbuch 2012, S. 46f).

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