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am 03. März 2023 startete der Musterprozess "Google Fonts" Unterlassung und Schadenersatz in Wien ... am 12.9.2023 geht es weiter

Heute, am 03.03.2023 startete - nach einigen interessanten Erkenntnissen diese Woche aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - der Zivilprozess beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, in dem Eva Z. einen Websitenbetreiber - den mittlerweile berühmtesten Friseur Österreichs (O-Ton der Richterin)  - auf Unterlassung und Schadenersatz wegen der dynamischen Einbindung von Google Fonts in Anspruch nimmt. Hier ein Überblick über den heutigen Tag.

 

Wie an Wochentagen üblich läutete mein Wecker um 06:16 Uhr, und unmittelbar nach dem Aufstehen, Zähneputzen und Duschen habe ich via elektronischem Rechtsverkehr geprüft, ob uU die Klage zurückgezogen wurde. Aber das war nicht der Fall. 

 

In einem anderen Verfahren zum selben Themenkomplex (im weiteren Sinne) ist das nämlich vor Kurzem um 0:16 des Verhandlungstages geschehen, und daher kontrolliere ich das regelmäßig bei "Google Fonts"-Verfahren. 

 

Um ca. 7.00 Uhr habe ich mich dann auf den Weg in die Kanzlei in Linz gemacht, und habe noch ein paar andere Angelegenheiten erledigt. 

 

Mein Auto blieb heute stehen:

  

Um 8.35 Uhr hat mich jemand zum Bahnhof in Linz gebracht, da die Strecke Linz - Wien am besten mit der Bahn zurückgelegt wird, insbes. wenn man in der Innenstadt von Wien einen Termin wahrnimmt. 

 

Dort habe ich mich mit meinem Mitarbeiter Mag. David Mitterbauer, B.Sc., der mich in diesem Verfahren tatkräftigst unterstützt, getroffen und wir sind mit der WESTBahn nach Wien Westbahnhof gefahren. Im Zug haben wir (nicht) zufällig zwei Kollegen getroffen, die ebenfalls zum Prozess (als interessierte Öffentlichkeit) angereist sind. 

 

Nachdem wir in Wien angekommen sind, haben sich unsere Wege getrennt, und mein Mitarbeiter und ich sind gemächlich die Mariahilfer Straße entlang Richtung Ring geschlendert, dann an den Museen vorbei und letztlich sind wir beim "Justizpalast", in dem auch das Landesgericht für Zivilrechtssachen untergebracht ist, angekommen

 

Es war auch genug Zeit für ein Selfie vor den ehrwürdigen Stiegen des Hauses nach der Sicherheitskontrolle.

Am späten Vormittag gönnten wir uns dann - zur umfassenden Vorbereitung - einen Kaffee in der Cafeteria, die sich im obersten Stock des Gebäudes befindet, und genossen den wunderbaren Ausblick über Wien. 

 

Ca 45 Min vor Verhandlungsbeginn kam unser Mandant. Der "berühmteste Friseur aus Österreich" - wie die Richterin bei der Einvernahme dann bemerkte - und wir sind mit ihm den Sachverhalt noch einmal durchgegangen. 

 

Dann haben wir uns auf die Suche nach dem Verhandlungssaal begeben, und überraschenderweise fand die Verhandlung nicht wie bereits vom Gericht angekündigt, im Saal 12, sondern im Saal 9 statt, der jedoch nur ums Eck war. 

 

 

 

Nach und nach trafen einige Kollegen aus dem Bereich Datenschutz & IT, aber auch Strafrecht, interessierte IT-Unternehmer und andere (mir persönlich nicht bekannte) Personen ein. 

 

Der Klagevertreter erschien jedoch allein.Es waren jedoch noch mehr als 10 Minuten bis zu Verhandlungsbeginn und daher dachten wir, dass seine Mandantin wohl noch kommen werde. Letztlich wurden wir jedoch enttäuscht, sie erschien nicht zur Verhandlung, weil sie verhindert war, und daher konnte sie auch nicht aussagen.

 

Die Richterin erschien, öffnete den Saal und schloss die Tür wieder. Eintreten für Parteien, Vertreter und die Öffentlichkeit ist nur nach "Aufruf" gestattet. Letztlich rief die Richterin pünktlich zur Verhandlung auf, und wir alle (insgesamt wohl ca 40 Personen) betraten den Saal

 

Anfangs mussten wir die Tische etwas umstellen, da auf der Beklagtenseite nur zwei Plätze waren, und unser Mandant und wir schon drei Sitzgelegenheiten brauchten, und dann auch noch die Vertreter des Nebenintervenienten Google Ireland Ltd Platz benötigten. 

 

Auch die interessierte Öffentlichkeit nahm im Zuschauerbereich Platz, der gut gefüllt war. 

 

Die Verhandlung begann damit, dass die Richterin die anwesenden Parteien und Parteienvertreter notierte und dann in die Verlesung der Schriftsätze überging. 

 

Die Klägerin persönlich ist nicht erschienen, und der Klagevertreter hat diese damit entschuldigt, dass sie aus persönlichen Gründen verhindert sei. Erlegte dazu auch eine entsprechende Bestätigung von dritter Seite vor, aus der der Zeitraum der Verhinderung (01.03. - 03.03) hervor ging. Dies war kurz Thema in der Verhandlung, und die Richterin hat dem Klagevertreter aufgetragen, binnen 14 Tagen detailliertere Informationen dazu dem Gericht vorzulegen. 

 

Wir haben beantragt, das Beweisanbot der Parteieneinvernahme zu präkludieren, dh die Klägerin nicht einzuvernehmen, wenn sie bei der nächsten Streitverhandlung wieder nicht erscheint. Das hat die Richterin auch so protokolliert. 

 

Danach wurden die Urkunden dargetan, und das gesamte Prozedere um die Urkunden der Klägerin, des Beklagten und der Nebenintervenientin zog sich sehr, sehr lange hin. Wohl auch weil der Klagevertreter mehrere neue Urkunden vorlegt.

 

Überraschenderweise hatte der Klagevertreter auch ein zwölfseitiges Vorbringen vorbereitet, in dem er dem Beklagten einen weiterhin bestehenden, neuen Verstoß, aber auch umfangreiche Rechtsausführungen darlegen wollte, und dehnte die Klage um weitere EUR 100,-- an Schadenersatz, auf sohin EUR 200,-- aus. 

 

Das Gericht hat uns (und der Nebenintervenientin) die Möglichkeit eingeräumt, dazu eine Urkundenerklärung zu sämtlichen Urkunden der klagenden Partei in schriftlicher Form abzugeben.

 

 

Die Richterin protokollierte daraufhin kurz und prägnant den behaupteten weiteren Verstoß, lies aber nicht zu, dass der Kläger das gesamte 12-seitige Vorbringen dem Verhandlungsprotokoll beilegen konnte.

 

Wir bestritten das neue Vorbringen und beantragte die Nichtzulassung der Klagsänderung / - ausdehnung, da lange genug Zeit gewesen wäre, dieses Vorbringen zu erstatten. Die Klagsausdehnung / - änderung wurde jedoch von der Richterin zugelassen, da es nicht prozessökonomisch sei, ein weiteres Verfahren zu führen. 

 

Wir haben auch dargelegt, dass eine Datenschutzverletzung durch eine Übermittlung in ein unsicheres Drittland dadurch nicht besteht.

 

Thematisiert und vom Klagevertreter zugestanden wurde in der weiteren Folge auch, dass die Klägerin von einem IT-Unternehmen eine Software programmieren ließ, die Datenschutzverstöße im Hintergrund dokumentiert.

 

Die Richterin erörterte dann mit den Parteienvertretern die Rechtslage und legte dar, dass ihrer Meinung nach die dynamische IP-Adresse (auch nach Breyer) ein personenbezogenes Datum darstellt, da es rechtliche Möglichkeiten gibt, den Bezug zwischen Anschlussinhaber/in und IP-Adresse herzustellen. 

 

Wir haben dazu noch einmal darauf verwiesen, dass dies in Österreich nur bei einem Verstoß gegen strafrechtliche Normen zulässig ist, und Internet-Service-Provider nur Strafverfolgungsbehörden Auskunft geben dürfen, aber nicht dem Beklagten und auch nicht Google Ireland Ltd. oder Google LLC (USA). 

 

Dieser Punkt wird jedenfalls zu rechtlichen Diskussionen führen, aber ich bin nach wie vor der Meinung, die ich auch in der Klagebeantwortung zu diesem Komplex dargelegt habe. 

 

Auch die Anzahl der Schreiben war Thema, und der Klagevertreter stellte außer Streit, dass im Juli 2022 516 (oder 519) versandt wurden und dann im August 2022 32.000. Er erklärte, dass die 32.000 versandt wurden, weil es keine ausreichende Reaktion auf die ersten Schreiben iSe Beendigung des (behaupteten) rechtswidrigen Verhaltens (Ansicht der Klägerin) gegeben hätte. 

 

Die Richterin erwähnte auch, dass der Rechtsmissbrauch zu prüfen sei, und dafür auch der Ablauf des Aufrufs der zahlreichen Websiten, der Einsatz der Software , das Motiv der Klägerin etc... genau nachvollzogen werden muss. 

 

Ich erwähnte dann, dass die Klägerin es geschafft hätte, Google durch die zumindest 32.000 Aufrufe von Websiten mit "Google Fonts" zu verwirren; da in diesem Fall keine Informationen über ihr tatsächliches Verhalten, sondern bewusste Aufrufe von potentiell datenschutzwidrigen Websites mit mehr als 32.000 Aufrufen eingegangen seien. Das entspräche nicht dem sonstigen Surfverhalten der Klägerin.

 

Auch haben wir mehr oder weniger intensiv die Frage diskutiert, ob schon der "Kontrollverlust" einen Schaden darstellt, und der Klagevertreter vertrat die Ansicht, dass die DSGVO einen "pönalen Schadenersatz" normiere und verwies auch auf die ErwG 75 und 85. 

 

Die Richterin verwies u.a. dazu auf die diesbezüglichen Vorlagefragen und die Stellungnahme des Generalanwaltes im Verfahren C-300/21 vom 6.10.2022. Aber das sind ohnehin Rechtsfragen, die auch Thema einer meiner Publikationen waren

 

 

Letztendlich konnte der Beklagte (nach ca 1 1/2 Stunden Prozessverlauf) einvernommen werden. Er nahm in der Mitte vor der Richterin Platz.

 

Zuerst hat die Richterin Fragen gestellt, zB ob er die Klägerin persönlich kenne oder was er nach dem Erhalt des Schreibens getan hätte. 

 

Der Beklagte sagte wahrheitsgemäß, dass er zuerst dachte, es ginge um das  Foto, welches auf dem Aufforderungsschreiben abgedruckt war, und hat sich den gewandt, der ihm die Website programmiert hatte. Er teilte auch mit, dass er sich an die WKO wandte, und dort Unterstützung erhielt, und sich mit einer äußerst kurzen E-Mail an den Klagevertreter wandte. 

 

Er selbst habe keine Ahnung und Möglichkeit gehabt, das auf der Website zu ändern. Da habe er sich auf den von ihm im Juli 2022 (vermutlich nach dem Urlaub) kontaktierten Fachmann verlassen, dass der das ändert, was gefordert ist. 

 

Der Beklagte erklärte auch, dass er selbst das gar nicht hat kontrollieren können, und auch gar nicht gewusst hat, was Google Fonts sind. 

 

Wann die Änderung auf der Website geschehen sei, und wann er dazu die Rechnung vom IT-Unternehmen erhalten hat, daran konnte sich der Beklagte nicht mehr erinnern. 

 

Auf die Frage von uns, ob das Schreiben des Klagevertreters vom 6.7.2022 unterfertigt war, antwortete er mit NEIN, und erklärte auf Nachfrage, dass er es deshalb auch nicht so ernst genommen hätte, bis ihn die WKO informiert hat.

 

Letztlich haben wir den Beklagten noch gefragt, ob die Website vor dem 16.07.2020 erstellt wurde, was er bejahte.

 

Nach seiner Einvernahme nahm der Beklagte wieder bei uns Platz. 

 

Dann ging es um den behaupteten weiteren Datenschutzverstoß, und dazu wurde hin - und her debattiert. Thematisiert wurde, dass die Daten an Google LLC, Montainview, Kalifornien und in die USA übermittelt, und wir vertraten die Meinung, dass dies nicht der Fall sei, da die Übermittlung maximal nach Frankfurt oder München in dort bestehende Data-Center erfolgt, und es dazu eine aktuelle Entscheidung der DSB vom 16.02.2023 gäbe (auch in Zusammenhang mit einem Google-Dienst). Die Daten werden daher nicht in ein unsicheres Drittland übermittelt.

 

Für mich überraschenderweise hat der Klagevertreter selbst die Beischaffung des Strafaktes der WKStA beantragt, sodass wir die Einvernahme des IT-Unternehmers, der die Software für die Klägerin programmierte, und des Inhabers der Druckerei, die die Schreiben - unserer Meinung nach automatisiert - versandte beantragt haben. 

 

Ganz am Schluss präsentierte der Klagevertreter den nach seinem Vorbringen bestehenden Datenschutzverstoß dem Gericht und der Beklagtenseite; das Gericht nahm dies in Augenschein.

 

 

 

Diese Schilderung ist eine grobe Zusammenfassung des Verfahrensverlaufes von ca 2 Std und 20 Min, und das ohne die Einvernahme der Klägerin

 

Die Verhandlung wurde sodann vertagt, und zwar auf den 12.9.2023, vormittags beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien.

 

 

 

Wir haben uns dann entschlossen noch mit Kollegen kurz in einem Kaffeehaus etwas zu uns zu nehmen und ich bin dann mit der WESTBahn um 17:38 Uhr wieder nach Linz gefahren.

 

Nach einem kurzen Stopp in der Kanzlei bin ich um ca. 19:45 Uhr wieder zu Hause angekommen, und gönne mir nun einige Tage Pause von "Google Fonts" ..

 

 

Dr. Thomas Schweiger (am Verfahren als Beklagtenvertreter beteiligt)

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Mig (Samstag, 04 März 2023 11:14)

    Danke für den Prozessbericht ...u.schoarfes Auto Kennzeichen :-)

  • #2

    Daniel AJ (Montag, 06 März 2023)

    Was ist denn der neue Vorwurf, den der Klagevertreter erhebt?

  • #3

    Michael Gombkötö / OMNI-IT (Donnerstag, 09 März 2023 12:34)

    Gelungener und kurzweiliger Bericht.
    Es bleibt spannend! :)

  • #4

    Ralf Zimmermann (Donnerstag, 09 März 2023 13:12)

    Es hat wohl den Anschein, dass der Klägerin die Sache zu heiß geworden ist. Bereits 2x verhindert. �