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Die Realität bei Betroffenenanfragen - der Verantwortliche darf nicht formal am Wortlaut der Anfrage kleben

Auslegung ist entscheidend – nicht der Wortlaut allein.

 

 

Immer wieder gehen bei Verantwortlichen Betroffenenanfragen ein, die „interpretationsbedürftig“ sind.

 

Ein typisches Beispiel: Eine betroffene Person erhält Direktwerbung – sei es per Post oder per E-Mail (trotz erteilter Einwilligung) – und antwortet mit einem Satz wie: „Löschen Sie alle meine Daten.“

 

 

Aber was genau ist damit gemeint?

 

Will die betroffene Person nur keine Werbung mehr bekommen – oder wirklich alle Daten gelöscht haben?

 


 

Auslegung von Betroffenenanfragen

 

Ein wiederkehrender Grundsatz der Auslegung ist:

 

„Demnach sei der Wortlaut und das Verständnis der Erklärung aus objektiver Sicht, nämlich so wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und ihrem Zweck bei objektiver Betrachtung verstehen konnte, zu betrachten.“
(Datenschutzbehörde vom 05.02.2024, Zl. D124.0174/24, 2024-0.092.195, unveröffentlicht, unter Verweis auf BVwG 03.05.2018, W256 2190554-1 zum Auskunftsbegehren nach § 26 DSG 2000)

 

 


 

Beispiele aus der Rechtsprechung

 

 

1. BVwG, W256 2190554-1, 03.05.2018
Ein Betroffener schrieb u.a.:

 

„Ich fordere Dich auf, diese vier Kameras unverzüglich zu entfernen [...] und auch alle Daten an mich per Datenträger zu übermitteln.“

 

Das BVwG urteilte:

 

„Für die Beurteilung, ob ein für den Empfänger als datenschutzrechtliches Auskunftsbegehren erkennbares Begehren vorliegt, ist dieses auf seinen Inhalt zu prüfen [...].“
Dabei ist derselbe Maßstab anzulegen wie für einseitige Willenserklärungen im Privatrecht – also wie die Erklärung bei objektiver Betrachtung von einem redlichen, verständigen Menschen zu verstehen ist.
(vgl. OGH 10.07.1996, 9 ObA 2139/96s; 15.09.1999, 9 ObA 148/99a)

 

 


 

2. BVwG, W148 2247976-1/9E, 27.01.2022 (Newsletter, TKG)
Ein einfaches Löschbegehren lautete:

 

„Bitte löschen Sie meine Daten.“

 

Das Gericht entschied:

 

„Zwar wurde der Newsletter nicht ausdrücklich abbestellt, doch ist zu prüfen, ob konkludent nicht auch die Einwilligung zur Datenverarbeitung widerrufen wurde.“

Entscheidend sei, wie ein redlicher Empfänger die Erklärung objektiv verstehen müsse – unter Berücksichtigung von Geschäftszweck und Interessenlage.
(vgl. OGH 26.05.2011, 9 ObA 80/10w; OGH 20.03.2003, 8 Ob 21/03a)

 

 


 

3. BVwG, W176 2286887-1/6E, 19.11.2024 (Auskunftsbegehren nach § 44 DSG)

 

Ein Betroffener stellte einen Antrag „gemäß § 44 DSG auf Auskunft“, übernahm aber wörtlich den Gesetzestext, der nicht auf Verantwortliche außerhalb von Polizei und Justiz anwendbar ist.

 

Das BVwG hielt fest:

 

„Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie dazu in ihrem Bescheid ausführt, dass bei ‚der Beurteilung, ob ein für den Verantwortlichen als auf ein bestimmtes Recht nach der DSGVO erkennbares Begehren vorliegt‘, insbesondere ‚der Wortlaut und das Verständnis der Erklärung aus objektiver Sicht [...] zu betrachten‘ seien.“

 

Auch wenn ein Fehler in der gewählten Rechtsgrundlage vorlag, war aus der Erklärung klar erkennbar, dass Auskunft über personenbezogene Daten verlangt wurde.

 

 



 

Fazit

Wenn für den Verantwortlichen erkennbar ist, welches Recht die betroffene Person geltend machen will, muss er die Eingabe nach objektivem Verständnis so auslegen, wie sie ein verständiger Empfänger deuten würde.

 

 

Der Verantwortliche darf also nicht am bloßen Wortlaut haften, sondern muss den Zweck der Erklärung nachvollziehen.

 

 

 


 

Konsequenzen für die Praxis

 

 

Wenn nach einer Werbesendung die Aufforderung „Löschen Sie meine Daten“ erfolgt, ist dies als Wunsch zu interpretieren, keine weiteren Zusendungen zu erhalten:

 

  • Wurde die Werbung auf Basis einer Einwilligung versandt, stellt die Erklärung einen Widerruf gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO dar.

  • Erfolgte die Werbung auf Basis des berechtigten Interesses, liegt ein Widerspruch gemäß Art. 21 DSGVO vor.

  • Nicht gewollt ist in der Regel die vollständige Löschung aller Daten – insbesondere nicht in dem Sinn, dass bei einem zukünftigen Adresszukauf dieselbe Person erneut kontaktiert wird, weil sie nun „neu“ in der Datenbank erscheint.

 

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